Geschichte

Das Gebiet Südarabiens stand 129 Jahre unter britischer Kolonialherrschaft mit Aden als Kronkolonie. Ab den 1950er Jahren regte sich Widerstand gegen die britische Herrschaft. Aden wurde zum Zentrum des südarabischen Unabhängigkeitskampfes, wo sich zahlreiche politische Bewegungen formierten. Am 14. Oktober 1963 begann der bewaffnete Kampf gegen die Briten, der mit der Unabhängigkeit am 30. November 1967 endete. Die Nationale Befreiungsfront (NLF), die gemeinsam mit anderen Befreiungsbewegungen den Kampf gegen die Briten anführte, unterzeichnete mit den Briten die Unabhängigkeitsverträge in Genf. Gemäß den Verträgen übernahm die NLF die Macht im Land. Beeinflusst vom arabischen Nationalismus und der Idee der arabischen Einheit rief die NLF die Gründung der Volksrepublik Südjemen mit Aden als Hauptstadt aus. Dies war das erste Mal in der Geschichte Südarabiens, dass die ehemaligen britischen Protektoratsgebiete als „Jemen“ und nicht mehr als „Südarabien“ bezeichnet wurden. Damit versuchte die NLF sich vom kolonialen Erbe loszulösen.

Die Volksrepublik Südjemen war der erste unabhängige und international-anerkannte Staat in Südarabien. Die Republik wurde am 14. Dezember 1967 als Mitgliedsstaat in die Vereinten Nationen aufgenommen. Die NLF war eine sozialistisch-, kommunistisch- und zum Teil maoistisch-orientierte Befreiungsbewegung. Nach der Unabhängigkeit wurden Kräfte, die als konservativ und lokale Vertreter der Kolonialmacht galten, aus dem politischen Geschehen ausgeschlossen und teils des Landes verwiesen. Die NLF, die sich nach der Unabhängigkeit in die Nationale Front (NF) umbenannte, näherte sich politisch an die Staaten des Ostblocks an und übernahm die Regierungsform des politischen Zentralismus dieser Staaten. Die Korrekturbewegung von 1969 half dem radikalen linken Flügel sich gegenüber dem kleineren moderaten Flügel durchzusetzen. Zusätzlich wurde die Umbenennung des Staates in die Volksdemokratische Republik Jemen (VDRJ) entschieden. Im Juni 1978 wandelte sich die NF zur staatlichen Einheitspartei, der Jemenitischen Sozialistischen Partei (JSP). Innerparteiliche Konflikte über Außenpolitik, Wirtschaft und Machtverteilung führten zu einem Blutbad innerhalb des Politbüros am 13. Januar 1986. Der Angriff auf eine Fraktion innerhalb des Politbüros rief militärische Ausschreitungen von zehn Tagen hervor. Tausende Menschen kamen ums Leben. Die besiegte Fraktion um Ali Nasir Muhammad verließ das Land in den Nordjemen, unter ihnen Präsident Abd Rabbu Mansur Hadi.

Am 30. November 1989, anlässlich des Jahrestags der Unabhängigkeit des Südjemen, besuchte der nordjemenitische Staatschef Ali Abdallah Salih Aden. Gemeinsam mit dem Generalsekretär der JSP Ali Salim al-Bidh führte er Verhandlungen über eine Einheit zwischen beiden Staaten. Nachdem viel Kritik auf beiden Seiten gegen diese Einheit geäußert wurde, einigten sich die beiden Staatschefs auf einer Autofahrt über die Einheit. Die Gründe für diese übereilten Beschlüsse liegen in den Ereignissen von 1986 und im Zusammenbruch des Ostblocks. Die VDRJ war durch die kriegerischen Auseinandersetzungen und das Auswandern von 30.000 Anhängern Ali Nasir Muhammads langfristig geschwächt worden. Der Verlust der internationalen Partner durch den Zusammenbruch des Ostblocks führte zur endgültigen Marginalisierung der VDRJ und seiner politischen Elite in der Region.

Der übereilte Einheitsvertrag enthielt insgesamt zehn Paragraphen, die zur jemenitischen Einheit zwischen der VDRJ und der Jemenitischen Arabischen Republik am 22. Mai 1990 führten. Erst mit der Einheit von 1990 entstand die Republik Jemen, die es vormals nie in dieser Form gab. Der Terminus „Jemen“ ist eine vorislamische Bezeichnung für alle Gebiete, die südlich von Mekka liegen. Als Gegenstück wurden die Gebiete im Norden von Mekka als al-Scham bezeichnet, das heute vier Länder (Syrien, Libanon, Jordanien und Palästina) einschließt.

Beide Machthabenden versuchten ihren Machtbereich in den anderen Landesteil auszuweiten, was kurz nach der Einheit zu einer politischen Krise führte. Unter anderem wurde es versäumt: (1) die Streit- und Sicherheitskräfte beider Staaten zu vereinigen, (2) sich auf ein gemeinsames Zivil- und Strafrecht zu einigen sowie (3) ein gemeinsames Finanz- und Währungssystem zu schaffen. Zudem wurde unbeachtet des enormen Bevölkerungsunterschieds zwischen beiden Landesteilen das Wahlsystem nicht adäquat angepasst. Die Bevölkerung im Südjemen, die sich 1990 aus circa 2,5 Millionen Menschen zusammensetzte, war demographisch dem Norden, der eine viermal so starke Bevölkerung aufwies, deutlich unterlegen. Dies hatte zur Folge, dass die JSP während der Parlamentswahlen von 1993 nur drittstärkste Kraft nach dem Allgemeinen Volkskongress Ali Abdallah Salihs und der nordjemenitisch-islamistisch-geprägten Islah-Partei wurde, obwohl die JSP stärkste Kraft im Süden des Landes blieb. Zusätzlich fielen in den ersten Jahren der Einheit zwischen 150 und 200 Politiker des Südens Islamisten zum Opfer. Das Regime von Sanaa hat sich mit diesen Islamisten, insbesondere mit den Rückkehrern aus Afghanistan verbündet. Für Islamisten galt die südjemenitische Bevölkerung als ungläubige Marxisten.

Diese Situation führte zu einer schweren politischen Krise. Zur Bewältigung der Krise wurden vor allem von König Hussein von Jordanien große Vermittlungsbemühungen unternommen. Die beiden Führer Ali Abdallah Salih und Ali Salim al-Bidh trafen sich in Amman und unterzeichneten am 20. Februar 1994 ein Abkommen mit dem Titel „Dokument der Verpflichtung und der Einigung“ in Anwesenheit König Husseins, des Generalsekretärs der Arabischen Liga sowie der Vertreter der politischen Parteien des Jemen und anderer arabischer Länder. Trotz der Unterzeichnung von Verträgen zur Versöhnung zwischen beiden Führungen brach am 27. April 1994 der Krieg zwischen dem Norden und Süden aus. Ali Salim al-Bidh rief am 21. Mai 1994 die unabhängige Demokratische Republik Jemen auf dem Territorium der ehemaligen VDRJ in seinen Grenzen von vor dem 22. Mai 1990 aus. Der Krieg endete allerdings mit dem Sieg der Truppen Ali Abdallah Salihs am 7. Juli 1994. Die Unabhängigkeitsbestrebungen des Südens wurden zunichte gemacht. Die Führungsmitglieder der JSP mussten das Land verlassen. Einige von ihnen wurden in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Mit der Einnahme des Südens durch den Norden begann in der Wahrnehmung vieler Südjemeniten eine Zeit der Besatzung durch das Regime des Nordens, die durch die geplante und vorsätzliche Zerstörung der Identität im Süden und der gesamten Infrastruktur, die bereits vor der Vereinigung bestand, gekennzeichnet war.